- Weltall: Weltbilder im Zeitenwandel
- Weltall: Weltbilder im ZeitenwandelAllgemein akzeptierte Vorstellungen über die Welt bestehen zu einem nicht geringen Teil in Übereinkünften — zum einen darüber, wie gewisse Aspekte der Wirklichkeit, deren Zusammenhänge oder Gründe nicht offensichtlich und nicht beweisbar sind, interpretiert werden, zum andern darüber, was jeweils als begründungsbedürftig gelten soll und was als zweifelsfrei wahr. Weltbilder sind damit ebenso historisch bedingt wie andere Ausprägungen der menschlichen Kultur. Das trifft auch auf wissenschaftliche und insbesondere auf astronomische Weltbilder zu, wie ein kurzer Blick in die Geschichte zeigt. Dabei wird deutlich, dass auch unser heute als selbstverständlich empfundenes Ideal der wissenschaftlichen Objektivität an gewisse Voraussetzungen gebunden und geschichtlich gewachsen ist.Frühe SpurenNach allem, was wir wissen oder auch nur vermuten können, ist die Astronomie, die Betrachtung und Erforschung des gestirnten Himmels, so alt wie die Menschheit selbst und hat zu allen Zeiten eine besondere Bedeutung für deren kulturelle und zivilisatorische Entwicklung gehabt. Ihre Anfänge liegen im Dunkel der Vergangenheit. Sie scheinen in unsere Zeit herüber im magischen Licht von Kultstätten und Begräbnisplätzen, von rätselhaften Erdwerken und gewaltigen Steinsetzungen, in deren Anlage häufig astronomische Bezüge zu erkennen sind.Erdwerke und SteinkreiseBesonders rätselhaft und beeindruckend sind die Steinsetzungen der Megalithkultur und die noch früheren Erdwerke, deren älteste Spuren bis in das siebte Jahrtausend vor Christus zurückreichen. Ein Beispiel dafür ist die über 6000 Jahre alte Wallanlage von Meisternthal bei Landau an der Isar. Die ellipsenförmige geometrische Grundform, die exakte Nord-Süd-Ausrichtung der Hauptachse und weitere Konstruktionsmerkmale sprechen für die Deutung dieser Anlage als jungsteinzeitliches Instrument zur genauen Bestimmung der Sonnenwenden.Deutlich lässt sich eine astronomische Zweckbestimmung an verschiedenen Bauwerken der Jungsteinzeit erkennen, unter denen das in Südengland gelegene Stonehenge (vermutliche Bedeutung des Worts: hängender Stein, nach den großen aufliegenden Deckplatten), ein gewaltiger, in mehreren konzentrischen Ringen ausgeführter Monumentalbau, eine herausragende Stellung einnimmt. Seine lange, in mehreren Etappen verlaufene Baugeschichte war vor etwa 4000 Jahren abgeschlossen. Es scheint heute sicher, dass Stonehenge neben kultischen Zwecken auch der Sonnenbeobachtung diente. Nach Untersuchungen des englischen Astrophysikers Norman Lockyer zu Beginn des 20. Jahrhunderts ermöglichte es die Anfertigung eines sehr genauen Sonnenkalenders.Himmelskunde im Alten OrientObwohl diese megalithischen Anlagen zum europäischen Kulturkreis gehören, ist eine Entwicklungslinie von ihnen zur heutigen Astronomie nicht erkennbar. Vertrauter sind uns dagegen die astronomischen Leistungen der Völker des Alten Orients. Dies liegt nicht zuletzt an der Geschichte unserer eigenen wissenschaftlich-technischen Kultur, deren Wurzeln tief in die Welt und in die Gedanken jener alten Kulturen reichen.Rückschauend lassen sich drei verschiedene Rollen erkennen, die der Astronomie bei den Völkern des Alten Orients zukamen. Die erste ist praktischer Natur und betrifft die Zeitmessung, das Kalenderwesen, die Navigation und nicht zuletzt die Entwicklung der Landwirtschaft, deren günstige Aussaat- und Erntezeiten mit dem Auftreten oder Verschwinden bestimmter Konstellationen am Sternenhimmel in Verbindung gebracht wurden. Ein besonders prägnantes Beispiel aus dem alten Ägypten sind die in einem mittleren Rhythmus von 365 Tagen auftretenden Nil-Überschwemmungen, deren Beginn auffällig mit dem ersten Wiedererscheinen des hellsten Fixsterns, des Sirius (ägyptisch: Sothis), am Morgenhimmel zusammenfiel.Solche Beziehungen zwischen irdischem Jahresablauf und periodischer Wiederkehr von Fixsternen und Sternbildern legen Zusammenhänge der im Zyklus der Jahreszeiten geordneten Lebenssphäre der Menschen mit dem kosmischen Geschehen am Sternenhimmel nahe, die damals jedoch nur mythisch-mystisch gedeutet werden konnten. Daraus ergibt sich die zweite Rolle der Astronomie für die Völker des Alten Orients, die untrennbar mit der Mythologie und Theologie jener Zeit verwoben war. Die Lichter am Himmel — Sonne, Mond, Planeten und Sterne — wurden häufig, wie beispielsweise von den Sumerern, als Götter aufgefasst. Die gleiche Vorstellung findet sich auch, Jahrhunderte später, noch bei Platon, der in seinem Dialog »Timaios«, in dem er ein philosophisches System über die Konstitution und Schaffung des Kosmos entwickelt, die Gestirne als »sichtbare Götter« bezeichnet.Astrologie und HerrschaftswissenBemerkenswert ist die aus langen Beobachtungsreihen von Sonne und Mond abgeleitete Aufeinanderfolge von Sonnen- und Mondfinsternissen, die schon den Babyloniern Vorhersagen dieser für Herrscher und Gesellschaft als bedeutsam angesehenen Ereignisse ermöglichte. Himmelsbeobachtungen und deren Interpretationen hatten daher Auswirkungen auf Herrschaftszusammenhänge und waren von großer politischer Bedeutug. Da häufig auch die Herrscher mythologisch, theologisch und sogar genealogisch mit dem hellsten Gestirn, der Sonne, in Verbindung gebracht wurden, hatten astronomische Aussagen oft unmittelbare politische Auswirkungen auf das Schicksal von regierenden Dynastien, den Gang der Regierungsgeschäfte oder die Festlegung günstiger Entscheidungszeitpunkte. Astronomie war in dieser dritten Rolle Herrschaftswissen.In der Verbindung von praktischem astronomischem Wissen, mythologisch-theologischer Deutung und Begründung politischer Herrschaft haben jene frühen Gesellschaften begonnen, ihr Bild der Welt zu entwerfen. Sie ordneten die Erscheinungen am Himmel ihrer Sicht gemäß und versuchten sie in den ihnen vertrauten Bildern einzufangen.Die strenge Ordnung, die den Lauf der Himmelskörper bestimmt, die Möglichkeit, die Ereignisse am Firmament auf lange Zeit vorauszusagen, und damit die praktische Fähigkeit zur Führung eines geordneten Zeitrechnungs- und Kalenderwesens haben im Menschen, zugleich mit dem Vertrauen in die Kraft des eigenen Denkens, eine staunende Bewunderung für die kosmischen Vorgänge geweckt. Obwohl ihm die eigentliche Natur der Sterne geheimnisvoll und rätselhaft blieb, fühlte er sich in die überirdischen Zusammenhänge einbezogen. Denn wenn Tag und Nacht, Jahreszeiten und Vegetationszyklen vom Lauf der Gestirne abhingen, lag es nahe, auch schicksalhafte Ereignisse wie Geburt und Tod, Glück oder Unglück mit ihnen zu verbinden. Dies ist letztlich die Wurzel der Astrologie, in der man sich bis auf den heutigen Tag jener archaischen Elemente bedient.Die frühe Bedeutung der Astronomie scheint universeller Natur zu sein. Sie findet sich in ihren Grundzügen ebenso in China und in Indien wie auch bei den indianischen Hochkulturen Mittel- und Südamerikas, überliefert durch Schöpfungsmythen und Kalendertabellen und am augenfälligsten durch großartige Monumentalbauten, deren astronomische Bestimmung zweifelsfrei entschlüsselt wurde. Trotz der in vielen Quellen dokumentierten großen astronomischen Leistungen hatten die Vorstellungen dieser Völker aber keinen unmittelbar erkennbaren Einfluss auf die Herausbildung unseres heutigen astronomischen Weltbilds.Schritte zur WissenschaftDie Erkenntnisse und Lehren der Hochkulturen des Alten Orients fanden im antiken Griechenland in einer Mythen- und Bilderwelt, die uns von Homer und Hesiod überliefert wurde, einen eigenen Ausdruck. Anders als die Völker des Alten Orients gaben die Griechen sich mit einer mythischen Welterklärung aber nicht zufrieden. In diesem Seefahrervolk wuchs vielmehr das Bedürfnis nach einem wirklichen Verstehen der Naturvorgänge, einer verstandesmäßig nachvollziehbaren Erklärung des kosmischen Geschehens.Mit dem Erfolg der neuen Denkweise, auf die sich noch heute wesentliche Konzepte der modernen Wissenschaft gründen, erwachte ein neues Lebensgefühl, in dem sich der Mensch zunehmend seiner selbst als denkend bewusst wurde. Die in der griechischen Naturphilosophie vollzogene Trennung von Naturabläufen und theologisch-mythologischer Weltinterpretation befreite ihn von den geistigen Fesseln geschlossener Mythenwelten.Euklid, der berühmteste Mathematiker des klassischen Altertums, fasste um 325 v. Chr. das geometrische Wissen seiner Zeit in dem aus 13 Büchern bestehenden Werk »Die Elemente« zusammen. Die darin enthaltene und nach ihm benannte euklidische Geometrie beschreibt die geometrischen Verhältnisse in einer Ebene in der uns unmittelbar zugänglichen Umgebung. Eine besondere Leistung des antiken Griechenland war die Anwendung der in Euklids »Elementen« enthaltenen abstrakten Axiome und Regeln auf die Vermessung der Erde und der nahen Himmelskörper. Damit wurden die räumlichen Dimensionen im Kosmos durch trigonometrische Beziehungen erfassbar und mittels irdischer Maßstäbe quantitativ berechenbar. Dies war der erste Schritt zur im heutigen Sinn wissenschaftlichen Astronomie.So wusste schon Thales von Milet im 6. Jahrhundert v. Chr., dass die Mondphasen durch Sonnenbeleuchtung verursacht werden, lehrten die Pythagoreer, dass Erde, Mond und Sonne Kugelgestalt besitzen und dass die Erde sich dreht und Merkur und Venus um die Sonne laufen. Eratosthenes berechnete um 250 v. Chr. den Erdumfang mit einem Fehler von weniger als zwei Prozent, und Aristarch von Samos, der bereits ein Weltsystem mit der Sonne im Zentrum, also ein heliozentrisches System, lehrte, versuchte etwa zur gleichen Zeit die Entfernungen Sonne —Erde und Erde —Mond in ein Zahlenverhältnis zu bringen; er folgerte, dass die Fixsterne ungeheuer viel weiter entfernt sein müssen als die Planeten. Im 2. Jahrhundert v. Chr. trug Hipparch alle Daten zu einem Sternkatalog zusammen, der bis ins 16. Jahrhundert an Genauigkeit unübertroffen blieb.Als ebenso fruchtbar erwies sich die griechische Idee des Elementaren, darunter die Lehre von Grundbausteinen, aus denen alle materiellen Körper zusammengesetzt sind. Dies waren bei den vorsokratischen Naturphilosophen die vier Grundelemente Feuer, Wasser, Erde, Luft und später Demokrits Atome. In der Geometrie waren es die Elemente Gerade und Kreis.Die astronomischen Leistungen der Griechen waren eingebettet in ihre Vorstellungen vom Entstehen und vom Bau der Welt — ihre Kosmologie —, die den großen Rahmen ihres Denkens und ihrer Welterkenntnis konstituierten.Die Bezeichnung »Kosmologie« verweist mit ihrem griechischen Ursprung κο ́ σμο (Welt, Ordnung) auf das Weltganze. In diesem Sinn umfasst sie nicht nur astronomische, physikalische und mathematische Kategorien, sondern insbesondere auch ästhetische Qualitäten wie Harmonie und Schönheit. Kosmologie als Programm zielt also über den Bereich der Astronomie, das heißt den Bereich des beobachtenden und interpretierenden Erforschens der astronomischen Objekte und ihres Zusammenhangs, hinaus und stellt die Idee des Universums als Ganzes ins Zentrum der Fragestellung. Damit hatte die Kosmologie zu allen Zeiten gleichermaßen naturwissenschaftlich-astronomische wie philosophisch-kulturelle Aspekte, die je nach dem jeweils herrschenden Welt-Paradigma mehr oder weniger in den Vordergrund traten.In der griechischen Philosophie lassen sich zumindest drei unterschiedliche Weltentwürfe erkennen, die, von verschiedenen Schulen entwickelt, bis heute in die Wissenschaft hineinwirken. Am Anfang standen die Lehren der Vorsokratiker, beispielsweise der griechischen »Atomisten«, die durch ihr Prinzip der Reduktion des Vielfältigen auf das Einfache ein frühes, dem Intellekt gut zugängliches Weltbild entwarfen. Nach ihren Vorstellungen von Fließen und Beständigkeit war die Welt aufgebaut aus Körpern — zu denen auch alle lebenden Wesen zählten —, deren Struktur und Form durch eine Anhäufung elementarer, unveränderlicher, in ewiger Bewegung befindlicher Grundbausteine, der »Atome« (von griechisch ατομο, »unteilbar«), im sonst leeren Raum konstituiert werden. Wenngleich solche Erklärungsversuche keine kausalen Wechselwirkungen enthalten, so zeigen sie doch einen wesentlichen Zug der heutigen physikalischen Weltbeschreibung, in der ebenfalls elementare Teilchen eine zentrale Rolle spielen.Die SokratikerMit Sokrates trat ein grundsätzlich anderer Ansatz des griechischen Denkens hervor, der den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt der philosophischen Untersuchung rückte. Nach Sokrates liegt der Ausgangspunkt jeder wirklichen Erkenntnis nicht nur in dem in der Außenwelt Vorfindbaren und Gegebenen, sondern letztlich im Innern des Menschen selbst.Platon zeigte dann in seinem »Höhlengleichnis«, dass uns die Sinne keine unmittelbare Anschauung des Geschehens vermitteln, sondern nur innere Bilder davon entwerfen, aufgrund deren wir die Wirklichkeit der Welt konstruieren. Er bezeichnete die diesem Konstruktionsprozess zugrunde liegenden elementaren Gegebenheiten als Ideen und dachte sie als in das Bewusstsein tretende ewige und unvergängliche immaterielle Grundbausteine der Welt, die der sinnlichen Erfahrung entzogen sind.Eine große Rolle spielte dabei die Mathematik, insbesondere die fünf in der Antike als ideal empfundenen »platonischen« geometrischen Körper, die von jeweils gleichen regelmäßigen Vielecken begrenzt sind: die regelmäßigen Polyeder oder Vielflächner, namentlich Tetraeder, Würfel, Oktaeder, Dodekaeder und Ikosaeder. Wegen ihrer logischen und ästhetischen Vollkommenheit erachtete Platon sie — neben der Kreisform und der Kugelgestalt — als dem Bau des Kosmos zugrunde liegende Muster.Die vollkommenen geometrischen Gebilde und mathematischen Proportionen spielten auch bei der Formulierung der Gesetze der Planetenbewegung zu Beginn der Neuzeit durch Johannes Kepler eine zentrale Rolle. Sie begleiten in übertragenem Sinn bis heute die moderne Physik, in deren Theorien abstrakte mathematische Formen und Zusammenhänge — zum Beispiel Symmetriegruppen — als fundamental betrachtet werden.Es war jedoch erst Platons Schüler Aristoteles, der die formalen, konzeptionellen und logischen Grundlagen schuf, auf die sich die moderne Wissenschaft auch heute noch wesentlich gründet. Für ihn, der die These von der Existenz an sich seiender Ideen als unbegründbar und daher wenig hilfreich verneinte, waren die äußeren Gegebenheiten und die Sinneseindrücke die primären Quellen der Erkenntnis, durch die die menschliche Vernunft gespeist wird. Alles, was wir an Gedanken und Ideen in uns tragen und das in unser Bewusstsein kommt, beruht demnach auf unserer Interpretation der Sinneseindrücke. Durch sie werden wir befähigt, die verwirrende Vielfalt der Welt und ihre komplizierten Zusammenhänge zu ordnen und zu verstehen.HimmelssphärenIm Sinn dieses Weltverständnisses entwarf Aristoteles seine Vorstellung von einem geozentrischen Kosmos, nach der die Erde im Zentrum ruht und Sonne, Mond, Planeten und Fixsterne unabänderlich auf festen ewigen Bahnen um die Erde kreisen. Eine nicht unerhebliche Schwierigkeit bildeten hierbei die schon im Altertum bekannten anomalen Bewegungen der Planeten (ungleichförmige Geschwindigkeit, zeitweilige Rückläufigkeit, Planetenschleifen), die nicht durch ein einfaches Modell von konzentrischen, in einer Ebene liegenden Kreisbahnen dargestellt werden können. Zur Lösung dieses Problems schlug der Astronom Eudoxos, ein Zeitgenosse Platons, rotierende konzentrische sphärische Hüllen vor, das heißt unsichtbare materielle Kugelschalen, deren Rotationsachsen auch gegeneinander geneigt sein können. Die Himmelskörper dachte er sich in ihren jeweiligen Sphären verankert, sodass sich ihre Bewegungen und die beobachteten Anomalien aus den unterschiedlichen Rotationen der Sphären erklären ließen.Aristoteles übernahm und erweiterte diese Vorstellung von der Planetenbewegung und entwickelte ein Modell des Universums, das schließlich aus insgesamt 55 hierarchisch angeordneten, sich berührenden Sphären bestand, durch deren Rotation der Mond, die Sonne, die Planeten und die Fixsterne um die Erde geführt werden. Die einzelnen Sphären selbst wie auch die in ihnen ruhenden Himmelskörper bestanden nach Aristoteles aus Äther, einer durchsichtigen, unveränderlichen, reinen Substanz, die den kosmischen Raum außerhalb des Bereichs der Erde ausfüllt. Als Grund für die Rotation der Sphären postulierte Aristoteles einen »ersten Beweger«, der jenseits von Raum und Zeit die letzte Ursache aller Bewegungen der Himmelssphären ist.Der Kosmos ist also in der Vorstellung des Aristoteles ein in hierarchisch aufsteigende Sphären (Sonne, Mond, Planeten, Fixsterne) gegliedertes kugelförmiges materielles »Gefäß« endlicher Ausdehnung, in dessen Zentrum die Erde ruht und dessen Bewegung durch ein äußeres geistiges Prinzip gewährleistet wird. In diesem Zusammenhang unterscheidet Aristoteles zwei Bereiche des Kosmos, in denen unterschiedliche Naturprinzipien wirksam sind: Die natürliche Bewegung der Körper unterhalb der Mondsphäre (sublunar) ist geradlinig und kommt zum Erliegen, sobald der natürliche Ort erreicht ist oder bis — bei erzwungenen Bewegungen — die Bewegungsursache abbricht. Die natürliche Bewegung des Äthers, oberhalb der Mondsphäre (supralunar), ist hingegen kreisförmig und ewig andauernd.In ihrem klaren Aufbau und in der Existenz eines abstrakten ersten Bewegers lag die Attraktivität der aristotelischen Kosmologie für die biblischen Religionen. Sie begünstigte die Geltung dieses Weltbilds als bis zum Ende des Mittelalters vorherrschendes kosmologisches Paradigma, sowohl für das Christentum als auch für die islamische Welt.Das System des PtolemäusDie Kreisform als Idealfigur, mit ihrem natürlichen Mittelpunkt, spielte in der antiken Beschreibung der Planetenbewegung die zentrale Rolle. Ausgehend von den Bemühungen einiger Vorgänger gelang es Claudius Ptolemäus etwa 150 n. Chr., die Bewegung der Sonne und des Monds sowie der fünf in der Antike bekannten Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn durch ein kompliziertes System aufeinander abrollender Kreise mit der Erde im Zentrum, also geozentrisch, darzustellen. Dieses in 13 Abschnitten oder Büchern beschriebene, uns durch arabische Astronomen als »Almagest« überlieferte System des Ptolemäus war so genau, dass es für fast eineinhalb Jahrtausende das beherrschende Weltsystem der Astronomie wurde und während dieser Zeit die beste Grundlage für das Kalenderwesen und die Navigation bildete. Es wurde an Vollständigkeit und Genauigkeit erst von Tycho Brahe und Johannes Kepler mit den »Rudolfinischen Tafeln« (1627) übertroffen. Deren Beobachtungsbasis war im Wesentlichen diejenige Brahes, während die zugrunde liegende Theorie von Kepler stammte.Grundlagen der NaturbeschreibungPlatons und Aristoteles' Lehren — Idee und mathematische Denkweise einerseits, konkrete Einzeldinge und Empirie anderseits — stehen sich in ihren wesentlichen Voraussetzungen und Aussagen als vom Grund her verschieden gegenüber. Aristoteles lehrte uns wesentliche Grundlagen der modernen Wissenschaft — den Primat der Beobachtung, die Rolle der Logik in der Theorienbildung — und hinterließ eine mathematische Beschreibung der Planetenbewegungen, die im Werk des Ptolemäus einen krönenden Abschluss fand.Mit dessen Kosmos gab es im 2. Jahrhundert ein allen praktischen Ansprüchen der Zeit genügendes, letztlich aristotelisch begründetes Weltsystem. Sein Modell, ein mechanisch-kinematisches Planetarium, ermöglichte es, die beobachteten Bahnen von Mond, Sonne und Planeten durch ein kompliziertes Kreissystem darzustellen und ihre zukünftigen Örter am Himmel mit hinreichender Genauigkeit anzugeben.Seit Platon hatten aber auch die Vorstellung von unvergänglichen Ideen und die Mathematik als grundlegende geistige Prinzipien Eingang in die Naturbeschreibung und die Astronomie gefunden, darunter die abstrakten Gesetze und Objekte der Geometrie und die pythagoreische Zahlenlehre, deren Beziehungen und Harmonie die Wirklichkeit der Natur und des Kosmos wiedergeben sollten.Die Überwindung des Grabens zwischen der platonischen und der aristotelischen Lehre strebte der Neuplatonismus an, als dessen hervorragender Vertreter Plotin gilt, der im 3. Jahrhundert das idealistisch-mathematische Element des Platonismus mit den philosophischen Auffassungen des Aristotelismus zu einer Synthese zusammenzuführen suchte. Mit diesem letzten Höhepunkt endete die unvergleichlich fruchtbare Periode, in der über neun Jahrhunderte lang die vorherrschenden Weltbilder durch griechische Denker geprägt waren.Astronomie im MittelalterMit der Verfestigung des Christentums und der Ausbreitung des Islams eroberten zwei monotheistische Religionen das Abendland und den Orient, deren zentrales Seinsverständnis und Wertesystem nicht durch das Denken über die Natur und den Menschen getragen waren, sondern durch unmittelbare Gottes-Offenbarung, aufgezeichnet in heiligen Schriften, in deren Licht die überkommenen Erkenntnisse und Lehren der antiken Denker beurteilt werden mussten. In diesem radikalen Paradigmenwechsel von einem auf das eigenverantwortliche menschliche Denken gegründeten Erkennen der Welt zur grundsätzlichen Bindung jeder Erkenntnis an verkündete und als vorrangig betrachtete theologische Vorstellungen kommt die mittelalterliche Glaubensüberzeugung zum Ausdruck. Es ist die Vision einer alles umfassenden Weltinterpretation im Licht göttlicher Wahrheiten: Erst auf ihrer Basis ist es möglich, die heterogenen, in diesem Sinn als vorläufig betrachteten antiken Erkenntnisse richtig zu beurteilen und in ein geschlossenes Weltbild einzuordnen, das sowohl den theologischen Ansprüchen als auch den beobachteten Tatsachen gerecht wird.Ohne auf die eindrucksvollen Leistungen der arabischen Astronomie, die weit über den Wissensstand der Griechen hinausgingen und deren Spuren nicht nur an vielen heute noch gebräuchlichen Sternnamen — zum Beispiel Beteigeuze, Rigel und Wega — zu erkennen sind, näher einzugehen, beschränken wir uns im Weiteren auf die Entwicklung der Astronomie im christlichen Raum.Kirche und KosmosDie frühchristliche und mittelalterliche Astronomie strebte nach einer Synthese von christlichen Glaubenswahrheiten, empirischen Befunden und antikem Gedankengut unter dem Primat einer theologischen Weltinterpretation. Nach Isidor von Sevilla, der an der Wende zum 7. Jahrhundert als der größte Gelehrte seiner Zeit galt, ist der Kosmos »nach dem Bild der Kirche« geschaffen und repräsentiert in seinem Bau das zentrale theologische Prinzip und die hierarchische göttliche Ordnung in vollkommener Weise. Der Kosmos des Aristoteles entsprach in seiner Architektur und mit Gott als erstem Beweger offensichtlich dieser Vorstellung und wurde so zum herrschenden Weltsystem des Mittelalters.Im Verständnis des Mittelalters sind sowohl die Bibel als auch die Natur Offenbarungen Gottes. Die Natur wird also nicht wie bei den antiken Philosophen als etwas Selbstständiges angesehen, sondern als ein neben der Heiligen Schrift den Menschen von Gott geschenktes »zweites Buch«, dessen Durchdringung primär dem Lobpreis Gottes dient und das deshalb nur in dieser Perspektive für die Erkenntnis des Menschen bedeutsam ist und studiert werden darf. Als Folge der Bindung der Naturwissenschaft an die Religion hatte jede Aussage über die Natur unmittelbare theologische Bedeutung und betraf damit auch die Kirche und deren Selbstverständnis. Um den Einklang zwischen Naturerkenntnis und Bibel zu erreichen, wurde eine subtile Interpretationskunst entwickelt.In dem alle Lebens- und Naturbereiche umfassenden Totalitätsanspruch der mittelalterlichen Weltsicht lagen ihre Größe und Faszination, aber auch der Keim ihres späteren Scheiterns, weil er es nicht zuließ, den theologischen Lehren scheinbar widersprechende Naturerkenntnisse vorurteilsfrei zu werten oder gar in das System zu integrieren.Im ausgehenden Mittelalter geriet das strenge logische System der Wissenschaft aus Scholastik und Alchemie, Astrologie und Astronomie in eine fundamentale geistige Krise, mit allen Tendenzen von Auflösungserscheinungen, Überspezialisierung und Grenzüberschreitungen, wie sie für Endzeiten von Epochen charakteristisch sind. Im Neben- und Miteinander von visionären Ideen und unsicherem Lebensgefühl, naivem Glauben und intellektueller Spitzfindigkeit, von Heilserwartung und Profitgier, Ketzerangst und Pestgefahr, Gottsuche und Sterndeuterei zeigte sich der Zerfall des mittelalterlichen Weltbilds im Übergang zur beginnenden Neuzeit.Von der Astronomie zur AstrophysikInfolge der Auflösung des alle Lebensbereiche umfassenden Denksystems im ausgehenden Mittelalter reifte die Zeit heran, die Welt mit neuen Augen zu sehen. Die faszinierende Erkenntnis, dass man nur zu schauen brauchte, wenn man wissen wollte, begründete ein neues Lebensgefühl.Für diese Entwicklung ist der wissenschaftliche Paradigmenwechsel am Beginn der Neuzeit von zentraler Bedeutung: die Ablösung der aristotelischen Zweckbestimmung durch ein Kausalprinzip, die Anwendung mathematisch-theoretischer Methoden auf empirische Befunde im Rahmen von Theorien, aber auch das neue Mittel des Experiments, in dem eine wichtige Methode für die Überprüfbarkeit und ein entscheidendes Kriterium für die Richtigkeit theoretischer Vorhersagen erkannt wurde und das noch heute naturwissenschaftliches Arbeiten im Kern charakterisiert.Für die Herausbildung eines neuen astronomischen Weltbilds in der Epoche des Übergangs zur Neuzeit waren insbesondere zwei Entwicklungen wichtig: die Ablösung des geozentrischen ptolemäischen Systems durch das heliozentrische Modell von Nikolaus Kopernikus und die Überwindung des aristotelischen Kosmos durch die Auflösung seiner engen Grenzen und die Öffnung des Weltraums in vorher unvorstellbare Weiten. Die Geburtswehen waren schmerzhaft und überschattet von der Inquisition, von religiösen Glaubenskrisen und sozialen Konflikten.Dennoch war der Siegeszug der neuen Ideen nicht aufzuhalten. An seinem Beginn steht das große Werk des Kopernikus »De revolutionibus orbium cœlestium libri VI«, das er 1543, kurz vor seinem Tod, vollendete; mit ihm wurde das heliozentrische Weltsystem neu begründet. Im 17. Jahrhundert führte die Weiterentwicklung durch Johannes Kepler, Galileo Galilei und Isaac Newton zur endgültigen Erklärung und Formulierung der Gesetze der Planetenbewegung, wie sie in den drei Kepler'schen Gesetzen ihren Ausdruck fanden.Der dabei schließlich vollzogene Schritt vom Kreis zur Ellipse stellt einen in seiner Bedeutung nicht zu überschätzenden Bruch mit jahrtausendelang für wahr gehaltenen Grundprinzipien des kosmischen Bauplans dar. Der Kreis mit seinem naturgegebenen Zentrum war ja nicht nur die ideale geometrische Figur, sondern symbolisierte auch die göttliche Ordnung mit dem Menschen als Mittelpunkt der Welt und verkörperte nicht zuletzt die dadurch gesetzte hierarchische politische Machtstruktur. Die Loslösung vom Kreis war deshalb auch von großer theologischer und politischer Bedeutung.Newtons Postulat einer gegenseitigen Anziehung der Himmelskörper begründete zwischen diesen eine feste Beziehung. Unter dem Einfluss der gegenseitigen Kräfte bewegen sich alle Körper im Raum gemäß den Gesetzen der Newton'schen Mechanik auf berechenbaren Bahnen, die somit quantitativ verstanden werden können.Einheit der NaturMit der Formulierung von Newtons Gravitationsgesetz war zum ersten Mal ein universeller physikalischer Zusammenhang beschrieben, der es nahe legt, das ganze Universum als Einheit und das Geschehen in ihm aus dem kausalen Zusammenwirken seiner Teile zu begreifen. Die Frucht dieser Bemühungen war ein rein mechanistisches, nur auf Newtons Mechanik beruhendes Weltbild, wie es in seiner höchsten Blüte — das Universum gleichsam als Uhrwerk — von dem großen Mathematiker Pierre Simon de Laplace und seinen Kollegen im späten 18. Jahrhundert begeistert beschrieben wurde.Mit dieser Entwicklung ging die Ablösung des aristotelischen Kosmos durch die neue Lehre Newtons über Raum und Zeit einher, mit der im Grund genommen erst die Voraussetzung für die Mechanisierung des Weltbilds geschaffen wurde und die den Schritt zu einem Universum ermöglichte, dessen Materieorganisation durch Gravitationswechselwirkung bestimmt wird.Die Meinung, dass der Kosmos nicht länger als ein enges Gefäß aufgefasst werden konnte, begrenzt von einer materiellen Fixsternsphäre und eingebettet in ein allumgebendes himmlisches Feuer, verfestigte sich immer mehr. Man entdeckte, dass es keinerlei logische und auch keine theologischen Gründe dafür gab, irgendwelche räumlichen Beschränkungen für das als ewig gedachte Universum und die darin enthaltenen Sterne anzunehmen. Wegweisend hierbei waren im 15. Jahrhundert die Unendlichkeitsvorstellungen des Kardinals und Universalgelehrten Nikolaus von Kues (auch als Nicolaus Cusanus bekannt), die auch in die Kosmologie hineinwirkten, dann, gegen Ende des darauf folgenden Jahrhunderts, die erste einfache Darstellung des kopernikanischen Systems durch Thomas Digges, die Entwicklung der Idee eines unendlichen Universums durch William Gilbert in seinem Hauptwerk »De magnete« und insbesondere das umfassende Weltbild des von der Inquisition hingerichteten Philosophen Giordano Bruno.Die Wurzeln dieser neuen Ideen reichen einerseits tief in die antike atomistische und epikureische Weltvorstellung eines unendlich ausgedehnten, unermesslichen Raums, in dem die Erde und das sie umgebende Sternsystem inselgleich schwimmen, anderseits in die abstrakte scholastische Gottesinterpretation, nach der Gottes Sein und Allmacht keinen räumlichen und zeitlichen Grenzen unterworfen sein können. Newton gab diesen Vorstellungen den adäquaten Ausdruck, indem er die grundlegenden Existenzformen der realen Welt — Raum und Zeit — in seinem Hauptwerk »Philosophiae Naturalis Principia Mathematica« so definierte: »Der absolute Raum bleibt vermöge seiner Natur und ohne Beziehung auf einen äußeren Gegenstand stets gleich und unbeweglich. Die absolute wahre und mathematische Zeit verfließt an sich und vermöge ihrer Natur gleichförmig und ohne Beziehung auf irgendeinen äußeren Gegenstand. Sie wird mit dem Namen Dauer belegt.«Raum und Zeit existieren in Newtons Vorstellung also absolut und unabhängig voneinander und unbeeinflusst von physikalischen Körpern, Feldern und Vorgängen. Der Raum ist nach dieser Vorstellung dreidimensional, unendlich ausgedehnt, homogen und isotrop, das heißt überall und in allen Richtungen gleich. Die Zeit ist eindimensional, unendlich ausgedehnt und sie verrinnt gleichförmig, unbeeinflussbar, ohne Anfang und ohne Ende.Physik und UniversumDie Aufklärung der Gesetze der Planetenbewegung war die erste große Leistung der Physik bei der Beschreibung kosmischer Vorgänge. In der dabei vollzogenen Verknüpfung von physikalischen Erkenntnissen und astronomischen Beobachtungen wurden die Grundlagen der Methoden geschaffen, die es heute erlauben, nicht nur die Natur der Himmelskörper und ihre gegenseitigen Beziehungen mit physikalischen Methoden zu beschreiben, sondern auch das gesamte Universum als ein physikalisches Objekt aufzufassen, dessen großräumiger Aufbau, dessen Geschichte und Evolution mit physikalischen Theorien und Begriffssystemen modellhaft beschrieben und nachvollzogen werden können.Diese Ausweitung des physikalischen Zugriffs aus der Begrenztheit unseres irdischen Erfahrungsbereichs in die unvorstellbaren Weiten des Kosmos ist nur möglich, weil alle Systeme im Kosmos Naturgesetzen unterliegen, die auf einer sehr fundamentalen Ebene universell gültig sind. Der Physiker und Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker nennt dies in einer 1971 erschienenen Sammlung von Aufsätzen und Vorträgen die Einheit der Natur.Trotz des Siegeszugs der Newton'schen Mechanik mit ihrer Ausstrahlung auf viele Bereiche des praktischen Lebens, der Weltanschauung und der Philosophie konnte diese keine Aussagen über die Natur der Himmelskörper, wie zum Beispiel ihr Alter, ihre materielle Zusammensetzung und ihre physikalischen Zustände liefern. Der dafür notwendige Schritt war der Übergang von der klassischen Astronomie — deren Aufgabe seit der Antike darin bestand, die Verteilung der Himmelskörper und ihre Bewegungen zu studieren — zur Astrophysik, das heißt zur physikalischen Beschreibung und Interpretation der kosmischen Objekte selbst. Die Erkenntnisse der Astrophysik prägten zunehmend seit der Mitte des 19. Jahrhunderts das astronomische Weltbild.Der Erfolg dieser Entwicklung ging Hand in Hand mit der Herausbildung der heute grundlegenden physikalischen Theorien — Thermodynamik, Hydrodynamik, Elektrodynamik, Quantentheorie, Atom- und Kernphysik, Relativitätstheorie — und deren Anwendung auf die quantitative Beschreibung und Modellierung astronomischer Objekte und Prozesse. Hinzu kam die rasante technische Entwicklung von immer leistungsfähigeren Teleskopen, hoch empfindlichen Detektions- und subtilen Auswertemöglichkeiten, wie sie heute an jeder Großsternwarte zur Verfügung stehen. Die Astrophysik wurde so zu der Wissenschaft vom Universum, die durch Anwendung physikalischer Methoden und Theorien die astronomischen Objekte und Prozesse untersucht und theoretisch modelliert, um sie in ihrem lokalen und globalen Zusammenhang quantitativ zu verstehen. Den Schlüssel zu dieser Entwicklung fanden im 19. Jahrhundert Josef Fraunhofer durch die Entdeckung der nach ihm benannten Linien im Sonnenspektrum sowie Gustav Kirchhoff und Robert Bunsen durch die Anwendung der von ihnen entwickelten Spektralanalyse auf die Sonne und auf andere helle Sterne.Die Aufklärung der Gesetze der Ausbreitung und der physikalischen Natur des Lichts und seiner Wechselwirkung mit Materie im Rahmen der Quantentheorie in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts (Max Planck, 1900; Albert Einstein, 1905; Werner Heisenberg, 1925; Erwin Schrödinger, 1925) zeigte, dass Licht kein homogenes Medium ist, sondern dass der Strom der von einem Objekt ausgesendeten Lichtteilchen (Photonen) vielfältige Informationen enthält, die spezifische Rückschlüsse auf den physikalischen Zustand und die chemische Zusammensetzung des jeweiligen Objekts erlauben.Das bemerkenswerteste Ergebnis der astrophysikalischen Untersuchungen ist, dass die Materie in allen Bereichen des Universums, die unseren Beobachtungen zugänglich sind, aus denselben chemischen Grundbausteinen aufgebaut ist, die auch auf der Erde oder in der Sonne vorkommen. Alle Materie im Kosmos bildet daher eine Einheit, die auf einen gemeinsamen, mit dem großräumigen Aufbau des Universums und seiner Entwicklung zusammenhängenden Ursprung hinweist.Die moderne Kosmologie stellt die Frage nach dem Universum als Ganzem, seiner Struktur, seinem Werden, seiner Zeitentwicklung und schließlich seinem endgültigen Schicksal. Diese Fragestellung ist im Rahmen der Physik aber nur dann sinnvoll, wenn nicht nur die Erscheinungsformen der Materie, sondern auch Raum und Zeit als physikalische Objekte begriffen werden können, deren lokale und globale Struktur durch physikalische Gesetze und Zusammenhänge bestimmt ist.Newtons Vorstellung eines dreidimensionalen, unendlich ausgedehnten, ewig unveränderlichen Raums und eines ewig gleichförmig fließenden Stroms der Zeit ohne Anfang und Ende ließ keine sinnvollen Antworten auf damit zusammenhängende Fragen zu. Eine umfassende Behandlung dieses Problems ermöglichte erst die von Einstein geschaffene Allgemeine Relativitätstheorie (1916), in der die geometrische Struktur des Raums und der Zeit durch die Materieverteilung im Universum und umgekehrt die Organisation der Materie im Großen durch die Raum-Zeit-Struktur bestimmt ist.Das Standard-WeltmodellDas einfachste Modell des Universums geht davon aus, dass der dreidimensionale Raum durchweg homogen und isotrop ist. Das bedeutet, dass alle Punkte und Richtungen gleichwertig sind und dass alle Orte die gleiche Geschichte haben. Auf diesem als »kosmologisches Prinzip« bekannten Postulat, das auf einer physikalisch nicht begründbaren Generalisierung der großräumigen Beobachtungstatsachen beruht, basiert das heute vielfach verwendete Standardmodell, das die globale räumliche Struktur des Universums und seine zeitliche Entwicklung beschreibt. Zwei bemerkenswerte Eigenschaften dieses Modells sind:(1) Das Universum als Ganzes ist nicht statisch, sondern es befindet sich in einer komplexen zeitlichen Entwicklung entlang einem wohldefinierten Zeitpfeil, auf dem jeder Zeitpunkt Vergangenheit und Zukunft trennt. Die Objekte im Universum entfernen sich dadurch voneinander, dass sich der Raum ausdehnt. Ob diese »Expansion des Kosmos« ewig andauert oder sich in ferner Zukunft wieder in eine gegenläufige Kontraktion umkehren wird, ist bislang nicht erkennbar.(2) Das Standard-Weltmodell besitzt einen wohldefinierten zeitlichen Anfangspunkt, von dem an sich das Universum aus einem extrem kleinen Volumen explosionsartig entwickelt hat. Dieser Anfang der Welt wird als Urknall bezeichnet. Er kann in letzter Tiefe noch nicht verstanden werden, weil der mit ihm verbundene Zustand so extrem entartet ist, dass in ihm die heutigen physikalischen Theorien nicht mehr gelten. Im Begriff des Urknalls berühren sich die großen Theorien der modernen Physik mit der mythenhaften menschlichen Frage nach der Schöpfung der Welt.Ungeachtet des zurzeit noch offenen Fragenkomplexes, der tief in das Wesen der Kosmologie und in die Evolution der kosmischen Materie führt, besteht Einigkeit unter den Wissenschaftlern, dass ein umfassendes Verständnis der Entwicklung des Universums und seiner vielfältigen Strukturen nur unter Einbeziehung der grundlegenden naturwissenschaftlichen Vorstellungen und Theorien zu finden ist.Der Mensch im KosmosBislang sind nur Ansätze zu einer geschlossenen Beschreibung der Welt als Ganzes erkennbar, die Astronomie, Physik, Chemie, Biologie, Mathematik und nicht zuletzt auch die Philosophie umfasst. Ein langer, mühsamer Weg ist noch zu bewältigen, auf dem die Mosaiksteine für ein Bild der Welt zu sammeln sind, in dem nicht nur die Fragen nach Entstehen und Entwicklung des Universums, sondern möglicherweise auch diejenigen nach dem Leben und dem Sinn der menschlichen Existenz eine befriedigende Deutung finden könnten. Wie auch immer ein solches Unternehmen ausgehen mag — der Mensch steht suchend vor dem Geheimnis und ist denkend in es verwoben.Wie insbesondere Heisenberg darlegte, macht die moderne Physik Aussagen über gewisse Aspekte der menschlichen Beziehung zur Natur und nicht darüber wie oder was die Natur ist. Das bedeutet, dass die Natur und damit die Welt insgesamt vom Menschen stets neu gedeutet werden. Die Werkzeuge — Theorien, Methoden und Apparate —, deren er sich dazu bedient, sind Produkte seines Denkens. Wie sie ihm fortschreitend die äußere Welt enthüllen, wächst er gleicherweise an Erkenntnis und schafft sich so ein geistiges Bild des Universums, einen inneren Kosmos, in dessen Licht sich sein Denken und seine Individualität entfalten.Prof. Dr. Erwin Sedlmayr, Dipl.-Phys. Karin Sedlmayr und Dr. Achim GoeresWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Licht: Informationen aus dem WeltallCambridge-Enzyklopädie der Astronomie, herausgegeben von Simon Mitton. Aus dem Englischen. Sonderausgabe München 1989.Der große JRO-Atlas der Astronomie, herausgegeben von Jean Audouze u. a. Aus dem Französischen. München 21990.Henkel, Hans Rolf: Astronomie. Thun u. a. 41991.Herrmann, Joachim: dtv-Atlas zur Astronomie. Tafeln und Texte. Mit Sternatlas. München 111993.Lexikon der Astronomie, bearbeitet von Rolf Sauermost. 2 Bände. Lizenzausgabe Heidelberg u. a.1995.Smolin, Lee: Warum gibt es die Welt? Die Evolution des Kosmos. Aus dem Amerikanischen. München 1999.Voigt, Hans-Heinrich: Abriß der Astronomie. Mannheim u. a. 51991.Weigert, Alfred: ABC-Lexikon Astronomie. Heidelberg u. a. 81995.Weigert, Alfred / Wendker, Heinrich J.: Astronomie und Astrophysik. Ein Grundkurs. Weinheim u. a. 31996.Zimmermann, Helmut / Weigert, Alfred: ABC-Lexikon Astronomie. Heidelberg u. a. 81995.
Universal-Lexikon. 2012.